Leitfaden: Vergabe öffentlicher Aufträge in Österreich
In Österreich vergeben öffentliche Auftraggeber jährlich Aufträge in Milliardenhöhe, was diese zu einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor macht. Um dir den Einstieg in diesen komplexen Prozess zu erleichtern, haben wir einen Leitfaden für die Vergabe öffentlicher Aufträge zusammengestellt, der die wichtigsten Fragen in Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen für dich zusammenfasst.
Die öffentliche Hand, mit ihrer Vielzahl von Institutionen, ist für Unternehmen ein attraktiver Auftraggeber. Unternehmen müssen Auftraggeber nicht erst vom Bedarf überzeugen, der Bedarf (und das Budget) sind bei Ausschreibungen schon vorhanden. Die verwendeten digitalen Verfahren reduzieren den bürokratischen Aufwand und sparen Zeit. Die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ermöglicht es Unternehmen zudem, transparent und fair Aufträge zu akquirieren.
Gesetzlicher Rahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge
Im Gegensatz zu Privatpersonen, die unkompliziert und ohne formale Anforderungen einkaufen können, müssen öffentliche Stellen in Österreich formale und transparente Vergabeverfahren anwenden, um Gleichbehandlung und die Auswahl des besten Angebots zu gewährleisten. Das Vergaberecht zielt darauf ab, einen fairen und transparenten Wettbewerb zu gewährleisten.
Aufträge, die in öffentlichen Vergabeverfahren vergeben werden, müssen anhand transparenter Bewertungskriterien (Zuschlagskriterien) vergeben werden. In manchen Fällen wird nur der Preis bewertet, bei den meisten Vergabeverfahren spielen neben dem Preis aber noch weitere Kriterien (zB Qualitätskriterien) eine Rolle.
Aber auch Bieter sollten sich mit den vergaberechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Kleine Fehler können nämlich aufgrund der strengen gesetzlichen Bestimmungen gravierende Folgen haben.
Schwellenwerte für die Vergabe öffentlicher Aufträge
Im Vergaberecht gibt es gewisse Wertgrenzen, die Schwellenwerte genannt werden. Bis zu einem geschätzten Auftragswert von EUR 100.000 dürfen öffentliche Auftraggeber ihre Aufträge ohne Ausschreibung vergeben.
Du hast bei diesen Direktvergaben kein Recht auf Teilnahme. Andererseits kannst du für solche Kleinaufträge deine herkömmliche Vertriebsstrategie anwenden.
Ab EUR 100.000 sind Aufträge grundsätzlich öffentlich auszuschreiben. Werden auch die EU-Schwellenwerte überschritten (derzeit ca EUR 220.000 bei Liefer- und Dienstleistungen bzw ca EUR 5,5 Mio bei Bauleistungen), sind die Vergabeverfahren europaweit bekannt zu machen. Bei öffentlichen Ausschreibungen darf grundsätzlich jedes Unternehmen teilnehmen, das die festgelegten Anforderungen erfüllt.
Präsentiere dein Unternehmen
Du darfst dich als Unternehmen einem Auftraggeber auch unabhängig von einer konkreten Ausschreibung präsentieren. Das führt zwar nicht zu einer Besserstellung im Vergabeverfahren; Auftraggeber lassen bei der Erstellung ihrer neutralen Leistungsbeschreibung aber ihr eigenes Know-How einfließen, auch jenes über verfügbare Lösungen.
Wenn du an einem Auftrag interessiert bist, solltest du jedenfalls vermeiden , an der Gestaltung von Ausschreibungsunterlagen mitzuwirken. Das kann dazu führen, dass du aufgrund dieser Vorarbeiten vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden musst.
Passende Ausschreibungen finden
Ausschreibungen werden im Internet veröffentlicht. Auf einschlägigen Portalen kannst du so leicht Aufträge finden.
Es gibt nationale Plattformen für Aufträge der heimischen Auftraggeber und auch eine EU-weite Plattform, auf der große Aufträge aller öffentlichen Auftraggeber der EU gelistet werden. Auf diesen Plattformen kannst du auch Suchagenten einrichten. So bleibst du mit wenig Aufwand informiert und kannst schon mit einem Aufwand von wenigen Minuten pro Woche interessante Ausschreibungen identifizieren.
Mehr zu (kostenlosen) Bekanntmachungsplattformen und Tipps zur Suche findest du hier.
Achte bei der Suche darauf, dass du alle Anforderungen der Ausschreibung erfüllen kannst und dass dein Unternehmen die geforderten Qualifikationen besitzt. Wenn nicht alle Anforderungen erfüllt werden können, wird dein Angebot ausgeschieden. Der Aufwand wäre damit frustriert.
Überlege dir deshalb folgende Dinge im Vorhinein:
- Liefergebiet und Vertragspartner: Ist dein Unternehmen lokal, national oder international tätig? Auf welche Zielgruppen beschränken sich deine Leistungen?
- Laufzeiten: Suchst du langfristige Leistungszeiträume, oder lieber einen einmaligen Auftrag?
- Auftragsvolumen: Welche Auftragsgröße kann dein Unternehmen bewältigen?
Vergabe öffentlicher Aufträge über Vergabeplattformen
Vergabeverfahren werden heutzutage in aller Regel elektronisch über sogenannte Vergabeplattformen abgewickelt. Das bedeutet, dass die gesamte Kommunikation elektronisch über die Plattform erfolgt. Halte dich dabei unbedingt an die Vorgaben des Auftraggebers. Kommunikation auf anderen Wegen ist in der Regel unzulässig und kann nachteilige Folgen für dich haben.
Mache dich unbedingt im Vorfeld der Angebotsabgabe mit der jeweiligen Plattform vertraut. Wenn es Fragen zur Einreichung gibt, stelle sie rechtzeitig. Im schlimmsten Fall können Anwenderprobleme zum Verpassen der Angebotsfrist führen. Verspätete Angebote dürfen vom Auftraggeber nicht mehr akzeptiert werden.
Die richtige elektronische Signatur ist ein besonders wichtiger Faktor für ihre erfolgreiche Teilnahme. Worauf es dabei ankommt, kannst du hier nachlesen.
Ablauf eines Vergabeverfahrens
Es gibt verschiedene Arten von Vergabeverfahren, unter denen der Auftraggeber mehr oder weniger frei wählen darf.
Die Direktvergabe ist etwa nur bei Kleinaufträgen zulässig. Hier kann der Auftraggeber frei agieren. Unternehmen haben kein Recht auf Teilnahme, kannst aber deinen „gewöhnlichen“ Vertriebsweg bestreiten.
Bei größeren Aufträgen führen Auftraggeber formale Vergabeverfahren durch. Auch hier gibt es unterschiedliche Verfahrensarten: Während beim Verhandlungsverfahren mehrere Angebotsrunden stattfinden und dazwischen mit den Bietern verhandelt wird, gibt es etwa beim offenen Verfahren nur eine Angebotsrunde und keine Verhandlungen.
Das Verhandlungsverfahren ist dementsprechend aufwendiger, hat aber den Vorteil, dass jeder Bieter Input einbringen kann und die Angebotsbedingungen möglicherweise in seinem Sinn abgeändert werden.
Hier findest du detailliertere Informationen zum Ablauf von Vergabeverfahren.
Vorbereitung der Angebotserstellung
Wenn du an einer Ausschreibung teilnehmen möchtest, solltest du die Ausschreibungsunterlagen sorgfältig prüfen. Folgende Punkte sollten in deine Vorbereitung einfließen:
- Risiken erkennen und einschätzen: Der Gewinn eines Auftrags ist nur der erste Schritt. Ihn auch vertragsgemäß und zufriedenstellend abzuwickeln ist noch viel wichtiger. Jeder Auftrag birgt Risiken, die du vor der Abgabe eines verbindlichen Angebots einschätzen solltest. Mit der Teilnahme an einer Ausschreibung verpflichtet sich der Bieter, die Leistungen gemäß den Ausschreibungsbedingungen und den Angaben in seinem Angebot vertragskonform zu erbringen.
- Kooperationen klären: Im Fall einer Kooperation mit einem Partner solltest du möglichst rasch klären, ob der Partner die verfügbaren Ressourcen zusagen kann, in welcher Form die Kooperation erfolgen soll (als Bietergemeinschaft, z.B. als GesBR, oder als Subunternehmer), den geplanten Ablauf der Zusammenarbeit und die Einholung und Vorlage der Nachweise. Auch Partner (inkl. Subunternehmer) müssen Nachweise einholen, die vom Bieter mit seinem Teilnahmeantrag oder Angebot vorzulegen sind. Auch Aufgaben und mögliche Haftungen für den Fall der Beauftragung solltest du schon vor Angebotsabgabe mit deinem Partner geklärt haben. Vielleicht möchtest auch du dich mit deinem Unternehmen für den Anfang erst einmal als Subunternehmer “hinter” einem Bieter an der Ausschreibung beteiligen. Baue in jedem Fall rechtzeitig ein entsprechendes Netzwerk auf.
- Nachweise (rechtzeitig) vorbereiten: Lese in den Ausschreibungsunterlagen genau nach, welche Nachweise verlangt werden und kümmere dich rechtszeitig darum. Oft werden behördliche Nachweise verlangt, die erst beantragt werden müssen. Viele Nachweise werden standardmäßig in (fast) jeder Ausschreibung verlangt. Es lohnt sich, sie immer aktuell griffbereit zu haben (z.B. Firmenbuchauszug, GISA-Auszug, Unbedenklichkeitsbestätigung des Finanzamtes und der Sozialversicherung).
- Kostenkontrolle: Du solltest einen guten Überblick über deine Kosten pro Leistung/Einheit haben. Um alle Angebote vergleichbar zu machen, müssen die Leistungen immer genau so ausgepreist werden, wie vom Auftraggeber verlangt – auch dann, wenn das von der Standard-Kalkulation deiner Produkte oder Leistungen abweicht.
Fehler bei der Angebotserstellung vermeiden
Eine gute Vorbereitung des Angebots und der Abgabe ist der Schlüssel zum Erfolg. Häufig scheitern Unternehmen an vermeidbaren Formalfehlern.
- Gib rechtzeitig ab: Verspätete Angebote müssen zwingend ausgeschieden werden. Plane daher genügend Zeit für die Abgabe ein, im Idealfall gibst du 1-2 Tage vor Fristende ab. Damit kannst du auf unvorhergesehene Probleme reagieren.
- Stelle sicher, dass dein Angebot alle Anforderungen der Ausschreibung erfüllt: Angebote, die von den Ausschreibungsbedingungen abweichen (weil zB nicht alle Leistungsanforderungen erfüllt werden, oder bieterseitig Vorbehalte und Bedingungen gemacht werden), sind ebenfalls zwingend auszuscheiden. Vermeide deshalb auch Begleitschreiben und halte dich lieber an die in der Ausschreibung vorgesehenen Unterlagen. Mehr zum Thema Anschreiben findest du in diesem Beitrag.
- Qualifizierte elektronische Signatur: Bei Ausschreibungen oberhalb der EU Schwellenwerte müssen die Angebote mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (in Österreich z.B. die ID Austria) signiert sein. Ein Fehler in der Signatur kann zum Ausscheiden des Angebots führen. Dieser Fall kommt in der Praxis gerade bei nicht-österreichischen Bietern häufig vor. Mehr Tipps zur Signatur findest du hier. Stelle in diesem Zusammenhang auch sicher, dass du weißt, wer das Angebot signieren wird und dass diese Person(en) dazu bevollmächtigt ist/sind.
Fazit
Die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen kann für dein Unternehmen viele Türen öffnen. Mit dem richtigen Wissen und einer sorgfältigen Vorbereitung kannst du dich erfolgreich an diesem Prozess beteiligen und deinem Unternehmen attraktive Aufträge sichern.
Wir wünschen dir viel Erfolg bei deinen zukünftigen Ausschreibungen.
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